SPD gedenkt Emma Ihrer

Veröffentlicht am 07.01.2011 in Frauen

Am 8. Januar 2011 ist der 100. Todestag von Emma Ihrer, eine der Pionierinnen der proletarischen Frauenbewegung und der gewerkschaftlichen Frauenarbeit in Deutschland. „Der besten eine ist von uns gegangen“, trauerte Louise Zietz, damals Mitglied des SPD-Parteivorstandes, um die Parteifreundin aus Pankow, und würdigte sie „als eine kraftvolle, charakterfeste Persönlichkeit, die große Willensstärke mit persönlicher Liebenwürdigkeit verband“. Clara Zetkin sah in ihr „die rücksichtslose Verfechterin der vollen Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts, die unerschrockene Kämpferin gegen alle knechtenden und büttelnden Gewalten“. Der SPD-Parteivorstand gedenkt Emma Ihrer mit einer Kranzniederlegung am 8. Januar 2011 um 12 Uhr an der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde, Gudrunstraße 20 in 10365 Berlin, wo sie beigesetzt ist.

Emma Ihrer wurde am 3. Januar 1857 im schlesischen Glatz geboren und starb im Alter von nur 54 Jahren. Sie stritt für die soziale Besserstellung der Arbeiterinnen, gehörte als erste Frau der „Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands“ an und gründete die politische Zeitschrift „Die Arbeiterin“. Mit ihrem wesentlich älteren Mann, einem Apotheker, zog sie 1881 nach Berlin. Zu dieser Zeit schloss sie sich auch der Sozialdemokratischen Partei an. Von 1894 bis zu ihrem Lebensende lebte sie im heutigen Bezirk Pankow, zuletzt in der Marthastraße 10 im Ortsteil Niederschönhausen. „Zu Wirken für andere war ihres Lebens ergiebigster Quell“ ist auf ihrem Grabstein in der Gedenkstätte der Sozialisten zu lesen. Doch ungeachtet ihrer unbestrittenen Verdienste um die Frauenbewegung und die Sozialdemokratie ist sie heute fast vergessen.

Als Emma Ihrer Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts nach Berlin kam, arbeitete sie zunächst als Putzmacherin. Bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt bei einer Veranstaltung zum Thema „Wie kann man die Sittlichkeit der Arbeiterinnen heben?“ ging es um die materielle Not, die damals viele Arbeiterinnen in die Prostitution trieb. Ihrer vertrat die Ansicht, dass die Prostitution nur ein Teil des Elends der Arbeiterinnen sei. Ihre Forderung: „Es müssen vor allen Dingen die Arbeiterinnen selbst gemeinsam gegen die erbärmlichen Löhne Front machen so wie gegen jede unwürdige Behandlung seitens der Arbeitgeber. Die Prostitution ist einfach eine Gefolgschaft der ungesunden wirtschaftlichen Zustände des Klassenstaates und der rechtlosen Stellung der Frauen in demselben.“

Ihrer kämpfte für die Rechte der Arbeiterinnen, als den Frauen noch jede politische Betätigung verboten war: Der „Verein zur Vertretung der Interessen der Arbeiterinnen“, zu dessen Mitbegründerinnen sie 1885 gehörte und dem sie vorstand, setzte sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Arbeiterinnen ein, forderte den Ausbau der gewerblichen Fabrikinspektion unter deren Beteiligung, Schutz vor Kinderausbeutung, saubere Werkstätten mit Waschvorrichtungen für die Arbeiterinnen und Mädchen-Fortbildungsschulen. Seine Ziele waren mit den Zielen einer Gewerkschaft vergleichbar. „Hebung der geistigen und materiellen Interessen, insbesondere der Lohnverhältnisse, gegenseitige Unterstützung bei Lohnstreitigkeiten, Aufklärung durch fachgewerbliche und wissenschaftliche Vorträge, Beschaffung einer Bibliothek, Pflege der Kollegialität durch gesellige Zusammenkünfte und die Einrichtung eines Arbeitsnachweises“, heißt es im Vereinsstatut. Auch die Einführung der Sonntagsruhe und das Wahlrecht für Frauen propagierten die Aktivistinnen. Die Forderungen waren der preußischen Obrigkeit ein Dorn im Auge, denn es ging dem Ihrer-Verein nicht bloß um Hilfe und Wohlfahrt, die sich die bürgerlichen Frauenvereine als emanzipatorisches Betätigungsfeld auf die Fahne geschrieben hatten. Der Verein wurde als politisch gefährlich eingestuft, verboten und aufgelöst. Emma Ihrer und ihre Mitstreiterinnen wurden zu Geldstrafen verurteilt, weil der „Verein nicht bloß Frauenspersonen als Mitglieder aufgenommen hatte, sondern er bestand nur aus Frauenspersonen“. Noch galt das Politikverbot für Frauen, drei Mal stand Emma Ihrer deswegen vor Gericht. Und so kämpfte sie an zwei Fronten: gegen den preußischen Staat und seine Gesetze, aber auch gegen manche Genossen. Beim Kongress der II. Sozialistischen Internationale in Paris 1889 konnte sie gemeinsam mit Clara Zetkin einen Antrag gegen die Frauenerwerbstätigkeit verhindern und die Gleichberechtigung der Frauen in der Gewerkschaftsarbeit erreichen. Schließlich gestattete das Reichsvereinsgesetz vom 15. Mai 1908 den Frauen, sich politisch zu betätigen und zu organisieren.

Emma Ihrer grenzte sich in der 1898 erschienenen Broschüre „Die Arbeiterinnen im Klassenkampf“ deutlich von der bürgerlichen Frauenbewegung ab: „Wo jene Wohltaten erweisen, fordern wir Gerechtigkeit!“ Von 1890 bis 1892, nach dem Ende des Sozialistengesetzes, war sie die erste Frau in der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands. Anfang 1891 erschien auf Ihrers Initiative hin erstmals die Zeitung „Arbeiterin“, die wenig später in „Die Gleichheit“ überging, deren Redaktion Clara Zetkin übernahm. Als im Jahr 1900 die Berliner Wäscherinnen und Plätterinnen streikten, war es Ihrer, die als erste Frau erfolgreich für eine geregelte Arbeitszeit und mehr Lohn vor einem Gewerbegericht auftrat. Sie engagierte sich in der Gewerkschaft der Blumen-, Blätter- und Putzfederarbeiter und -Arbeiterinnen, deren Vorsitzende sie 1903 wurde, und redigierte das Verbandsorgan „Der Blumen-Arbeiter". 1904 wurde sie Vorsitzende des neu eingerichteten gewerkschaftlichen Frauenkomitees.

Emma Ihrers Lebensweg ist in dem 2006 erschienenden Band „Spurensuche. Frauen in Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee“ nachzulesen, der über die Gleichstellungsbeauftragte des Bezirks zu beziehen ist.
Ihrer-Biografie bei FemBio
Ihrer-Biografie auf spd-berlin
Ihrer-Biografie bei Deutsche Biografie

 

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