Positionspapier des Vorstands der Jusos Pankow zur Zeitenwende und zum Sondervermögen für die Bundeswehr

Veröffentlicht am 19.07.2022 in Meinung

Hintergrund

Der Beginn des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat auch für uns als Jusos eine Zeitenwende eingeläutet. Auf bundespolitischer Ebene lag der Fokus in der Ausgestaltung der Zeitenwende bisher insbesondere in der Einführung eines Sondervermögens für die deutsche Bundeswehr, welches von Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung drei Tage nach Beginn des Krieges angekündigt wurde. Nach nunmehr 4 Monaten des Krieges in der Ukraine haben der Bundestag sowie der Bundesrat dem Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro sowie der entsprechenden Änderung im Art. 87a des Grundgesetzes zugestimmt. 

Unsere Position

Wir als Jusos Pankow teilen die Notwendigkeit der Zeitenwende, jedoch sprechen wir uns gleichzeitig dafür aus, diese Zeitenwende umfassend vor dem Hintergrund sozialdemokratischer Überzeugungen zu gestalten.

Wir stehen hinter dem Recht souveräner Staaten zur Selbstverteidigung. Für uns hat die Ukraine als souveräner Staat jegliches Recht, sich gegen die völkerrechtswidrige Invasion Russland zu wehren und ihr Territorium zu verteidigen. Wir unterstützen auch die entsprechende Ertüchtigung der Ukraine durch die Lieferung von Waffen. Als antimilitaristischer Jugendverband fällt uns eine solche Positionierung nicht leicht, allerdings erscheint uns die Lieferung von benötigten, auch schweren, Waffen zur Selbstverteidigung als der richtige Weg, um die Ukraine bei ihrem Kampf für ihre Unabhängigkeit und gegen diesen grausamen Angriff zu unterstützen. Dabei stehen wir hinter den Maßgaben der Bundesregierung, bei allen militärischen Unterstützungshandlungen sicherzustellen, dass zu jeder Zeit geschlossen mit den internationalen Verbündeten gehandelt, die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr nicht gefährdet und die NATO [1] nicht zur Kriegspartei wird.

Gleichzeitig muss die Unterstützung mit finanziellen Hilfen für die Ukraine fortgeführt werden, wobei wir den EU-Beitrittskandidatenstatus für die Ukraine ausdrücklich unterstützen. Die Ukraine verdient die Perspektive, bei Erfüllung der entsprechenden Beitrittskriterien, Teil der europäischen Gemeinschaft innerhalb der EU werden zu können.

Wir erkennen an, dass sich die Bundeswehr in einem desolaten Zustand befindet, was allerdings nicht an einer mangelnden Finanzierung liegt. Vielmehr muss über die Strukturen des Apparates der Bundeswehr diskutiert werden, um aufzeigen zu können, weshalb ein jährliches Budget von zuletzt bis zu 50 Milliarden Euro nicht für eine angemessene Ausstattung der Bundeswehr sorgen konnte. Daher braucht es aus unserer Sicht eine Aufarbeitung, weitreichende Reform und Begleitung des Beschaffungswesens, um zukünftig ineffiziente Ausgaben zu vermeiden.

Die Einführung des Sondervermögens für die Bundeswehr ruft bei uns einige Bedenken hervor.

So appellieren wir nicht von einem eindimensionalen Sicherheitsbegriff (Sicherheit = militärischer Frieden) auszugehen. Für uns kann eine erfolgreiche Sicherheits- und Außenpolitik nur mit einem erweiterten Sicherheitsbegriff gestaltet werden. So können zwar Konflikte mit militärischen Mitteln

entschieden, aber niemals rein militärisch gelöst werden. Daher braucht es zukünftig und zu jeder Zeit den verstärkten Einsatz von Diplomatie und einer tatsächlich nachhaltigen Entwicklungszusammenarbeit, sowie den verstärkten Einsatz für Prävention jeglicher kriegerischer Handlungen und humanitäre Hilfe. Nur mit dem umfassenden Einsatz dieser Mittel kann aus unserer Sicht eine erfolgreiche Sicherheitspolitik gestaltet und zudem nachhaltiger, sozialer Frieden erreicht werden.

Wir sehen zudem die Gefahr, dass das Sondervermögen eine globale Aufrüstungsspirale zur Folge haben könnte. Daher dürfen die Mittel des Sondervermögens lediglich für die angemessene Ausrüstung der Bundeswehr eingesetzt werden, sodass zukünftig wieder die Aufgaben der Landesverteidigung sowie die Erfüllung von Bündnisverpflichtungen der NATO erfüllt werden können. Jeder anderen Außenwirkung gegenüber anderen Akteuren, wie zum Beispiel das Signal, dass Deutschland zukünftig verstärkt militärisch handeln möchte, muss entschlossen entgegengewirkt werden. Wir stehen immer noch für Ausrüstung, nicht für Aufrüstung.     

Ähnliches gilt für die Frage zur Weiterführung der Nuklearen Teilhabe Deutschlands innerhalb der NATO. Durch die geplante Beschaffung von F-35 Jets, als Nachfolge für die 40 Jahre alten Tornado-Jets, kann Deutschland auch weiterhin im Ernstfall auf atomare Waffen von Seiten der USA zurückgreifen. Wir möchten betonen, dass nur die Möglichkeit besteht, diese Waffen von Seiten Deutschlands zu nutzen. Daher braucht es demnächst eine gesellschaftliche Diskussion darüber, ob Deutschland die Nukleare Teilhabe fortführen soll sowie darüber, wie die globale, nukleare Abrüstung weiter vorangetrieben werden kann.

Neben der nuklearen Teilhabe sehen wir die Beschaffung von bewaffneten Drohnen mit Mitteln aus dem Sondervermögen mehr als problematisch. Diese Art von Waffe birgt die Gefahr einer Enthemmung von kriegerischen Handlungen, da Soldat*innen diese aus der Distanz ausführen können. Zudem wird die moralische Verantwortung zum Einsatz dieser den einzelnen Soldat*innen allein aufgebürdet. Ferner steht hier die Frage im Raum, inwieweit bewaffnete Drohnen mit dem Völkerrecht und den Rules of Engagement [2] in Kampfhandlungen vereinbar sind. Dabei positionieren wir uns als Jusos klar gegen eine Bewaffnung von Drohnen und fordern von der SPD dies ebenfalls zu tun.

Wir Jusos Pankow erkennen die Notwendigkeit des aktuellen Bestandes der NATO an. Dennoch kritisieren wir deutlich verschiedenste Entwicklungen der Vergangenheit, wozu explizit auch die Zugeständnisse rund um die Verhandlungen zum Beitritt Finnlands und Schwedens gehören. Dies widerspricht nach unserem Verständnis den demokratischen Werten, welchen sich alle Mitgliedstaaten durch ihren Beitritt zu diesem Bündnis verpflichtet haben. Wir fordern in diesem Zusammenhang, den stärkeren Einsatz Deutschlands innerhalb der NATO zur Durchsetzung dieser demokratischen Werte.

Außerdem positionieren wir uns weiterhin deutlich gegen das 2%-Ziel der NATO. Eine dauerhafte Erhöhung der jährlichen Ausgaben für die Bundeswehr oder gar eine Festschreibung dieses Ziels lehnen wir ab. Zum einen besteht bereits ein sehr hoher Wehretat im Vergleich zu anderen Partnerstaaten, welcher mithilfe eines reformierten Beschaffungswesen zukünftig effizienter eingesetzt werden muss. Zum anderen ist dieses Ziel in der Ausgestaltung mangelhaft, da dies nicht sicherstellt, dass die entsprechenden Bündnisverpflichtungen nur durch Erfüllung dieses Ziels

vollbracht werden können. Daher fordern wir, dass sich Deutschland innerhalb der NATO für eine Absetzung dieses 2%-Ziels einsetzt.

Wie bereits betont, darf die Zeitenwende nicht nur auf einer militärischen Ebene betrachtet werden. Es muss klar sein, dass es Veränderungen in allen politischen Bereichen braucht, um Zukunftsherausforderungen angemessen angehen zu können. Dabei erkennen wir an, dass über den Weg des Sondervermögens der reguläre Haushalt nicht durch die zusätzliche Finanzierung belastet werden soll. Dennoch bleibt zu Bedenken, dass zu gegebener Zeit auch diese Schulden getilgt werden müssen.

Insgesamt müssen nun dringend notwendige, politische Vorhaben, wie zum Beispiel des effektiven sowie sozial gerechten Klimaschutz auf nationaler, europäischer und globaler Ebene oder auch der sozialen Gerechtigkeit über die Einführung eines Bürger*innengeldes, konsequent umgesetzt werden. Wir möchten an dieser Stelle eine Frage teilen, welche sich ebenfalls viele Bürger*innen stellen: Warum kann für die Bundeswehr ein Sondervermögen errichtet werden, jedoch beispielsweise nicht für die tatsächliche Entlastung von Bürger*innen mit geringen und mittleren Einkommen, für Errichtung sowie zeitgemäße Ausstattung von Bildungseinrichtungen oder für eine sozial gerechte Verkehrswende? Die Diskussion über die Finanzierung von zukünftigen Herausforderungen zeigt des Weiteren wieder auf, dass die Schuldenbremse eine unangemessene Einschränkung für die Finanzierung dieser enorm wichtigen Vorhaben ist. Daher betonen wir hier abermals, dass diese fatale Bremse zur Bewältigung verschiedenster Zukunftsherausforderungen abgeschafft gehört.

Die zukünftige, außenpolitische Rolle Deutschlands sehen wir als eine treibende Kraft eingebettet in die europäische Familie. Die Sozialdemokratie sollte darauf hinwirken, dass Deutschland immer gemeinsam mit der Europäischen Union (EU) verstärkt auf diplomatischen Wegen für demokratische Werte global einsteht. Dabei mahnen wir jedoch auch an, dass sich Deutschland verstärkt für die tatsächliche Wahrung der demokratischen Werte auf europäischem Gebiet einsetzen muss. Innerhalb der EU gibt es noch zu viele Verstöße gegen diese Werte, was sich beispielsweise in der menschenverachtenden Situation an den europäischen Außengrenzen zeigt. Um glaubwürdig im Sinne der demokratischen Werten auftreten zu können, muss die EU selbst, diese Werte vollständig vorleben. Insbesondere in Zeiten, in welchen eine Wiederwahl Trumps in den USA als möglich erscheint sowie global demokratiefeindliche Strukturen zunehmend wachsen, braucht es eine EU, die als aktive, werteorientierte Partnerin für Staaten auf der ganzen Welt auftritt. Gerade die verheerenden Folgen der Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland zeigen, welche Fehler Deutschland sowie die EU bei der Gestaltung von Partnerschaften jeglicher Art zukünftig nicht mehr machen darf. Es braucht, beispielsweise bei zukünftigen Energie-Partnerschaften im Rahmen der Energiewende, zwischen der EU und den Partnerstaaten ein solides Fundament, welches durch gerechte Bedingungen und Verlässlichkeit auf beiden Seiten geschaffen werden muss. Die EU sowie Deutschland müssen als verlässliche*r, werteorientierte*r und hierdurch als attraktive*r Partner*in global wahrgenommen werden, um als Partner*in konkurrenzfähig zu weiteren Akteuren auftreten zu können. Hieraus kann sich die Möglichkeit ergeben, eine starke, wertebasierte und explizit feministisch orientierte Außenpolitik zu gestalten, um globale Herausforderung lösen zu können.

 

[1] Die North Atlantic Treaty Organization ist ein Verteidigungsbündnis von 30 nordamerikanischen und europäischen Mitgliedstaaten mit dem Ziel, gemeinsam die eigenen Territorien zu schützen sowie politische Sicherheit und Stabilität weltweit zu erreichen.

 

 [2] Rules of Engagement sind rechtliche Regeln in NATO-Einsätzen, die vorgeben, wie kämpferische Handlungen geführt werden dürfen. Sie richten sich an bestehendem Recht aus, erweitern dieses jedoch nicht, sondern schränken es gegebenenfalls sogar noch weiter ein.

 

 

 

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